„Ich bin doch noch kein rechter Kosmopolit“
Der Zeitraum ab Ende der 1860er Jahre bis Anfang der 1870er erwies sich als eine sehr intensive Wander- und Reisezeit des jungen Peter Rosegger. Seine Erkundung der engeren Umgebung in Österreich, ebenso der Aufenthalt in Mitteleuropa beziehungsweise Italien lassen ein gutes Bild zeichnen von der Erweiterung des geistigen und geografischen Horizonts des Schriftstellers.
Die Reisen dokumentieren seine ihm eigene Art des "Unterwegsseins": präzise Vorbereitungen, penible alltäglichen Aufzeichnungen, genaue Reiseskizzen, enorme Sparsamkeit, stete Korrespondenzen von unterwegs, der Besuch ganz markanter Orte und - besonders wichtig - das Kennenlernen von Land und Leuten.
Als eine außergewöhnliche Herausforderung für Rosegger sollte sich die Bildungsreise nach Italien 18721 erweisen, die der junge Dichter mit zwei Begleitern, Dr. Svoboda und H.E. Janitschek, unternahm. Es war seine erste Fahrt in ein fernes Land außerhalb deutscher Grenzen. Mit etwas Unbehagen, kannte er doch weder Gegend und Menschen noch war er der Sprache kundig, machte er sich auf den Weg und schrieb darüber in seiner Monatszeitschrift "Heimgarten":
"[...] Es war meine erste Ausfahrt in ein fremdes Land. [...] Am Abende des zweiten Tages unserer Reise überschritten wir die deutsche Grenze und damit auch die Grenze meines unbedingten Wohlbehagens. Ich kam der fremden Welt so schön sie war, mit einer gewissen Aengstlichkeit entgegen [...]"2
In Turin trennten sich die Freunde, da "ich die Naturgenüsse den Kunstgenüssen vorziehe"3, wie Rosegger in seinem Tagebuch vermerkte und er setze die Reise alleine fort. In gewissem Sinne erleichtert, wieder sein eigener Herr zu sein, hatte er daraufhin jedoch einige Schwierigkeiten zu bewältigen. Mit seinen spärlichen Italienischkenntnissen fragte er für die Unterkunft an seinen Aufenthaltsstationen stets nach dem "Hotel Roma", welches tatsächlich auch in jeder Stadt zu finden war, als Speis und Trank waren ihm "Formaggio e vino" ein ständiger Wegbegleiter. Er ließ Land und Leute auf sich wirken und genoss das Eintauchen in diese neue Welt.
Seinem Gönner aus Graz, dem Brauereibesitzer Johann Peter von Reininghaus, berichtete Rosegger in einem Brief vom 6. September 1872 aus Rom über seine faszinierenden Erlebnisse, wie dem Besuch des Petersdomes:
"[...] So wäre ich nun den Weg aller deutschen Peterspfenige gegangen u. richtig in Rom angekommen. Es ist mir das ein denkwürdiger Tag meines Lebens. Ist es ein Gebet zur Gottheit, wäre es eines zur Kunst, oder aus kindlicher Verehrung für die Metropole der Christenheit - wer betet nicht einen Gedanken der Weihe in seiner tiefsten Seele, wenn er zum erstenmale den Dom St. Petris betritt." [...]4
Als humorvollen Nachsatz erlaubte er sich aber auch, dem väterlichen Freund für dessen finanzielle Unterstützung "Rechtfertigung" abzulegen:
"[...] An Sie, mein verehrter Freund, denke ich sehr
oft u. Ihre gute Reisebeigabe wird vortreff-
lich benützt; ich habe schon alle möglichen Wei-
ne auf Ihr Wohl getrunken. [...]"5
Schließlich, von fortwährendem „Heimweh" geplagt und vom beseelenden "Heimkommen" überwältigt, hielt er nach dieser Reise in seinem Tagebuch fest:
"[...] Ich bin doch noch kein rechter Kosmopolit, das spüre ich
erst, wenn ich im fremden Lande bin. [...]"6
Die aktuelle Ausstellung in der Steiermärkischen Landesbibliothek ist dem Literaten Peter Rosegger (1843-1918) gewidmet. Zentrales Thema ist dabei der Begriff der "Bewegung" in seinen verschiedenen Facetten: zum einen die unterschiedlichen Arten der Fortbewegungsmittel, zum anderen Roseggers geistige Flexibilität. Stets hat er sich mit technischen Neuerungen, aber auch mit seiner eigenen Einstellung zu diesen kritisch auseinandergesetzt. Zu ebener Erd´, über das Wasser und (fast) in der Luft bilden die drei inhaltlichen Schwerpunkte dieser besonderen Reise in die Vergangenheit mit dem steirischen Schriftsteller, Poeten und Journalisten.
Peter Rosegger war aber auch ein begeisterter Netzwerker, stand über die Jahrzehnte in brieflichem Kontakt mit mehr als 1000 Personen in vielen Ländern. Es stehen bei dieser Ausstellung somit nicht nur seine eigenen Texte im Mittelpunkt, sondern auch Briefe aus aller Welt an Rosegger, deren Absender kleine Schlaglichter vor dem großen historischen Hintergrund - sozusagen kleine Geschichten zur großen Geschichte - darstellen.
Besuchen Sie uns und die Ausstellung "Rosegger in Bewegung": Montag bis Freitag, 9 bis 17 Uhr, Donnerstag 9 bis 20 Uhr, in den Sommer- und Weihnachtsferien 9 bis 13 Uhr.
Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
1 Die "Reise nach Italien" unternahm Peter Rosegger von 23. August bis 17. September 1872 über Klagenfurt, Verona, Mailand, Turin, Genua, Florenz, Rom, Neapel, Pompeji und über Rom, Pisa, Venedig, Laibach zurück nach Graz. Mit besonderer Akribie - so auch in diesem Falle - fertigte Rosegger Skizzen seiner Reisen an, auf welchen er meist die Art der Fortbewegung, die Anzahl der Übernachtungen an seinen Stationen und das Datum der Etappen vermerkte.
2 Rosegger, Peter: Verführt zu Rom. In: Heimgarten 3, 1878/79, S. 675.
3 Rosegger, Peter: Reisetagebuch "Reise nach Italien". Turin, 29.08.1872.
4 Brief Peter Rosegger an Johann Peter von Reininghaus. Rom, 06.09.1872, privat.
5 Ebd.
6 Rosegger, Peter: Reisetagebuch "Reise nach Italien". Mailand, 26.08.1872.