Mit dem Auto durch den Sommer 1913

Rosegger Reisen 1913
Rosegger Reisen 1913© LB
Autounfall mit Kutsche
Autounfall mit Kutsche© Multimediale Sammlungen/UMJ

Der letzte weitgehend ungetrübte Sommer vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs (Ende Juli 1914) war Thema einer Geschichte in Peter Roseggers "Heimgarten" von 1914 mit dem Titel "Das Steirerwagerl des zwanzigsten Jahrhunderts". Dabei hält der steirische Schriftsteller inne und erinnert sich an die Tage seiner Kindheit während des Sommers in und rund um Krieglach.

Grundsätzlich stand Peter Rosegger technischen Erfindungen seiner Zeit ambivalent gegenüber, er erkannte und definierte für sich sowohl die Gefahren und Nachteile als auch die Annehmlichkeiten und Vorteile dieser Entwicklungen. Einer zum Teil ablehnenden Haltung stand jedoch die Neugier Peter Roseggers entgegen. Nach einem ersten Kennenlernen der neuen Fortbewegungsmittel, u. a. einer ersten Probefahrt, sah er durchaus positive Aspekte, die in weiterer Folge nicht selten in helle Begeisterung umschlugen. Der Gewöhnungseffekt setzte auch bei ihm schnell ein.

 ""Wer nach vorwärts will, soll nicht nach rückwärts schauen." Sehr logisch. Ich habe mein Lebtag stets nach rückwärts geschaut (weil nach vorwärts nichts zu sehen war) und bin doch immer ein bißchen voran gekommen. Besonders die Sommerszeit in Krieglach ist für mich eine beständige Rückschau. Das ist ja "historischer Boden" von Kindesfreude, Leid und Dummheit. Der drei Stunden lange Weg vom Orte bis zum Kluppeneggerhof im Hintergebirge. Morgens aus, abends heim. Morgens Sehnsucht nach der weiten Welt, "Mürztal" genannt; nachmittags Heimweh nach dem Mutterkittel. Morgens das Mittelalter, nachmittags die Neuzeit mit der Eisenbahn. Dazwischen die Waldstraße Alpsteig, auf der das barfüßige Dummerl hin und her lief. Mit leerem Sacke hin, mit Bündeln und Päcken her. Denn er schleppte Neuzeitsachen ins Mittelalter." 1

Ende des 19. Jahrhunderts trat der moderne Automobilismus eine "rasante Fahrt" an. Peter Rosegger äußerte sich in dieser Zeit immer wieder sehr kritisch dem Automobil gegenüber, sei es hinsichtlich der übermäßig aufkommenden Staubentwicklung, der gefährdenden Fahrweise oder der Beeinträchtigung der Natur. Doch seine Einstellung wandelte sich über die Jahre. Was er anfangs als "wahnsinnige Maschine" argwöhnisch beschrieb, wurde nach und nach - selbst als lustvoller Mitfahrer agierend - der aktuellen Zeit und der nächsten Generation zugestanden. Allerdings nur sofern ein "allseitiges Zusammenwirken die Nachteile schlichten" würde.

"Seither sechzig Jahre vorbei. Da schnellt mich plötzlich ein Steirerwagerl des zwanzigsten Jahrhunderts von Krieglach in 25 Minuten nach Alpel. Ein autounterlegter Gönner hatte Halt gemacht vor meinem Sommerhause: Ob ich mitfahren wolle in die Waldheimat? Nun, und 25 Minuten später schaute vom jenseitigen Waldhang das alte Kluppeneggerhaus schläfrig verwundert auf mich herüber. - Ein Eliaswagen! 2 Der Peterl sitzt drinnen. Fährt er gen Himmel? Nein, bloß bis Birkfeld. Saust an St. Kathrein vorbei, wie ein Pfeil der Feistritz entlang und dann von Birkfeld zurück hoch durch den Wald nach Fischbach, noch höher über den Teufelssteinpaß, die Schanz, nachher ab in den tiefen Stanzgraben nach Kindberg im Mürztal. In vier Stunden durch die Waldgegenden meinen Weg zurückgelegt, auf dem ich einst seine Kindesträume in der weiten Welt herumzutragen glaubte. Diese Autofahrt war im vorigen August am Kaisertage.3 Leute, die nach vorwärts schauen, laden mich ein, heute nach zehn Jahren, auf eine Fahrt im Aeroplan zu einer Rundfahrt durch Steiermark, anstatt eines Morgenspazierganges vor dem Frühstück. Nach einer halben Stunde sind wir wieder zurück.

Da heißt´s dann nicht mehr nach vorwärts, sondern nach abwärts schauen. Warum denn nicht auch einmal nach aufwärts - neuen Welten zu? Die alte ist ja schon völlig verbraucht - scheint es. Ich schaue einstweilen nach rückwärts, dort sehe ich die Zukunft. Aber eine sehr ferne." 4

 

Peter Rosegger - am 31. Juli 1843 geboren und somit selbst ein "Sommerkind" - ist die diesjährige aktuelle Ausstellung in der Steiermärkischen Landesbibliothek gewidmet. Zentrales Thema ist dabei der Begriff der "Bewegung" in seinen verschiedenen Facetten: zum einen die unterschiedlichen Arten der Fortbewegungsmittel, zum anderen Roseggers geistige Flexibilität. Stets hat er sich mit technischen Neuerungen, aber auch mit seiner eigenen Einstellung zu diesen kritisch auseinandergesetzt. Zu ebener Erd´, über das Wasser und (fast) in der Luft bilden die drei inhaltlichen Schwerpunkte dieser besonderen Reise in die Vergangenheit mit dem steirischen Schriftsteller, Poeten und Journalisten.

Peter Rosegger war aber auch ein begeisterter Netzwerker, stand über die Jahrzehnte in brieflichem Kontakt mit mehr als 1000 Personen in vielen Ländern. Es stehen bei dieser Ausstellung somit nicht nur seine eigenen Texte im Mittelpunkt, sondern auch Briefe aus aller Welt an Rosegger, deren Absender kleine Schlaglichter vor dem großen historischen Hintergrund - sozusagen kleine Geschichten zur großen Geschichte - darstellen.

Besuchen Sie uns und "Rosegger in Bewegung": Montag bis Freitag, 9 bis 17 Uhr, Donnerstag 9 bis 20 Uhr, in den Sommer- und Weihnachtsferien 9 bis 13 Uhr.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

 1 Rosegger, Peter: Das Steirerwagerl des zwanzigsten Jahrhunderts. In: Heimgarten 38, 1913/14, S. 224.

2 Die Bezeichnung Eliaswagen steht in Verbindung mit dem Propheten Elija aus dem Alten Testament und dessen Auffahrt in den Himmel mit einem feurigen Wagen.

3 18. August - der Geburtstag von Kaiser Franz Joseph I.

4 Rosegger, Peter: Das Steirerwagerl des zwanzigsten Jahrhunderts. In: Heimgarten 38, 1913/14, S. 224.

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