"Rosen für den Mörder" von Johannes Sachslehner

Ulrike Habjan
Ulrike Habjan© LB

Kollegin Ulrike Habjan aus der Steiermärkischen Landesbibliothek stellt eines ihrer Lieblingsbücher - Rosen für den Mörder - vor. Das Buch kann gerne in der Bibliothek ausgeborgt werden.

Es ist eine wahre Geschichte, die der Historiker Johannes Sachslehner minu­tiös in Archiven recherchiert hat: Die Biografie eines in der II. Republik angese­henen Bezirksbauernvertreters der ÖVP in Gaishorn am See, der am 5. Jänner 1994 in allen Ehren dort bestattet wurde. Das an­dere Gesicht des Steirers ist seine Mitglied­schaft in der NSDAP und seine Rolle als Stellvertreter des Gebietskommissars Hans Hingst von 1941 bis 1943 in der damals dem Reichskommissariat Ostland einge­gliederten litauischen Stadt Vilnius. Murer war zuständig für die jüdischen Angele­genheiten. Im Ghetto von Wilna lebten zu dieser Zeit zirka 80.000 Juden, ein Viertel der städtischen Bevölkerung. Murer übte sein Amt mit unfassbarer Grausamkeit und Menschenverachtung aus, was ihm den Namen „Der Schlächter von Wilna" ein­brachte. Nur ein paar hundert Juden über­lebten diese Schreckensherrschaft.

Murer mordete und bereicherte sich am Vermögen der Juden. Nach dem Krieg konnte er sich an nichts mehr erinnern. Der österreichische Staatsvertrag rettete ihn vor 25 Jahren Zwangsarbeit in Russ­land, zu der ihn ein Militärgericht 1948 verurteilt hatte. 1955 wurde Murer unter der Bedingung freigelassen, dass ihm die österreichische Justiz den Prozess mache. Das geschah nicht, sondern er wurde mit allen Ehren in Gaishorn empfangen. Simon Wiesenthal spürte ihn 1962 auf. Es kam zum Prozess am Grazer Landesgericht, der am 19. Juni 1963 mit einem Freispruch für den Mörder endete. Die Geschworenen sprachen ihn von allen Anschuldigungen frei. Die jüdischen Zeugen wurden ver­höhnt und gedemütigt und Murer vor dem Gericht mit Dutzenden Blumensträußen begrüßt. Die Blumengeschäf­te der Umgebung waren von seinen Anhängern leergekauft worden. Die ausländische Presse reagierte entsetzt über diesen Grazer Justizskandal.

In Gaishorn wird das Thema Franz Murer bis heute ver­schwiegen. Sachslehner musste bei seinen Recherchen die Erfah­rung machen, dass eine Ausein­andersetzung nicht stattfindet.

Das Buch ist ein wichtiger Bei­trag zum Gedenkjahr 2018 in der Steiermark, wo 80 Jahre nach dem Anschluss immer noch Antisemitismus präsent ist. 2016 wurden in der FPÖ-nahen Zeitschrift „Aula" KZ-Häftlinge als „Landplage" und „Massenmörder" bezeichnet, was zu einer Anzeige führte. Dieses Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Graz eingestellt.

War diese Information für Sie nützlich?

Danke für Ihre Bewertung. Jeder Beitrag kann nur einmal bewertet werden.

Die durchschnittliche Bewertung dieses Beitrages liegt bei ( Bewertungen).