Ein Hugo Wolf-Museum in Graz? – Die bislang unerzählte Geschichte „grenzenlosen“ Scheiterns

Hugo Wolf-Sammlung der Steiermärkischen Landesbibliothek
Hugo Wolf-Sammlung der Steiermärkischen Landesbibliothek© LB

In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts bemühte sich die Steiermärkische Landesbibliothek um die Einrichtung eines Hugo Wolf-Museums (HWM) in Graz. Anhand von Archivmaterial vermag nun der letztlich gescheiterte Entstehungsprozess detailliert beleuchtet zu werden.

 

Den Bezug Hugo Wolfs zur steirischen Landeshauptstadt kann man nicht unbedingt als vordergründig bezeichnen: geboren am 13. März 1860 in Slovenj Gradec, dem Ortsnamen zufolge also die „kleine Grazer Schwester" im heutigen Slowenien; in den Jahren 1870/71 war Wolf mäßig erfolgreicher Gymnasiast in Graz.

Und dennoch: nach Einrichtung eines Hamerling-Museums sowie des Rosegger-Zimmers im Jahr 1932 sollte auch Hugo Wolf ein „lebendiges", begehbares Denkmal gesetzt werden. Der damalige Direktor der Steiermärkischen Landesbibliothek, Dr. Norbert Stücker, knüpfte Kontakte zu den verschiedensten potentiellen Besitzern von Wolfs Möbeln, Handschriften und diversen Gegenständen, die man ausstellen wollte. Er kontaktierte Menschen von Slowenien, Kroatien über die Steiermark, Kärnten, Niederösterreich, Wien bis nach Deutschland - eine durchaus schwierige Angelegenheit, schließlich mussten mehr als drei Jahrzehnte nach Hugo Wolfs Tod seine Erben und Nachlassbesitzer aufgespürt werden, in einer Zeit ohne moderne Medien, wie etwa das Internet.

Es ist letztlich eine nicht enden wollende Dokumentation des Scheiterns, die sich im Archiv der Steiermärkischen Landesbibliothek dazu gefunden hat und es mutet fast schon ironisch an, dass es Direktor Stücker dabei schon früh gelungen war, die Finanzierung für den Ankauf der Objekte sowohl durch die die Steiermärkische Landesregierung als auch durch eine steirische Bank sicherzustellen.

 

Der vorhandene Briefverkehr von 19.03.1934 bis 13.01.1935 aus dem Archiv der Steiermärkischen Landesbibliothek1

Beteiligte Personen:

  • Prof. Ernst Decsey, Wien, Förderer Wolfs, Musikkritiker und Schriftsteller (bedeutendstes Werk ist eine vierbändige Biographie über Hugo Wolf)
  • Dr. Hanns Harpf, Slovenj Gradec, Primararzt, Schwiegervater von Otto Korsic
  • Otto Korsic, Graz, Neffe von Hugo Wolf, Schwiegersohn von Hanns Harpf
  • Henriette Kühn, München, Tochter von Dr. Heinrich Potpeschnigg (Zahnarzt, Musiker und Komponist, Freund und Förderer Wolfs), Schwester der ersten Frau von Theodor Streicher (Komponist, Förderer Wolfs)
  • Anton Schechel, St. Peter b. Graz, Postamtsdirektor i. R., Schwager von „Frau Schechel"
  • Ilse Strzelka, Stenjevec, Nichte von Hugo Wolf
  • Edith Streicher-Thorndike, Krumpendorf am Wörthersee, Dichterin, 2. Frau von Theodor Streicher
  • Dr. Norbert Stücker, Graz, Direktor der Steiermärkischen Landesbibliothek
  • Emma Werner, Perchtoldsdorf - hier komponierte Wolf 117 Lieder und Gesänge sowie Teile seiner Oper "Der Corregidor". Heinrich und Maria Werner stellten Wolf ihren Sommersitz in Perchtoldsdorf zur Verfügung, wenn sie ihn nicht für sich beanspruchten. Emma ist die Witwe von deren jüngstem Sohn Heinrich.
     

Am Beginn stand die Recherche in Hugo Wolfs Geburtsort Slovenj Gradec:

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19.03.1934, Slovenj Gradec, handschriftlicher Brief von Anton Schechel an Dr. Norbert Stücker (HWM1)

Dies ist eine Information darüber, dass sich am Vortag ein Interessent „für das Hugo Wolf Klavier und vorhandenen Möbelstücke zur Besichtigung hier eingefunden hat. Angeblich wünscht die Sachen eine Gräfin in Agram anzukaufen. Möglich wäre auch, daß sich eine Judenfirma dafür interessiert. Soviel meiner Schwägerin Frau Schechel bekannt ist verlangt die Eigentümerin Frau Srebot kein neues sondern ein gutes überspieltes Pianino für das Klavier. Meine Schwägerin möchte die Möbelstücke: 1 Diwan 1 Fautel u 1 Tisch um den Betrag von 400 S überlassen. Wegen Ankauf des Klaviers wollen sich Herr Doktor gefl mit der Eigentümerin ins Einvernehmen setzen damit das Stück nicht anderweitig hin verkauft wird."

Unter PS steht: „Frau Srebot in Laibach hätte noch einige Gegenstände v. H Wolf zu verkaufen."

Stückers Teilerfolg: die Zusicherung finanzieller Mittel durch die Steiermärkische Landesregierung

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31.03.1934, Graz, maschinschriftlicher Brief von Dr. Norbert Stücker an das Amt der steierm. Landesregierung, Abt. 14 (HWM2)

„Wie bereits mündlich mitgeteilt wurde, befinden sich in Windisch-Graz (Slovenski Gradec) noch einige Erinnerungsgegenstände des Komponisten Hugo Wolf, welcher bekanntlich dort geboren ist. Diese Sind: Ein Klavier, ein Sofa, ein Kasten, ein Tisch und ein Handtuchhälter. Da sich für diese Erinnerungsstücke in Jugoslawien einige Interessenten gefunden haben, so wäre Eile dringend geboten, dieselben für ein neben dem Hamerling-Museum und Rosegger-Zimmer allenfalls zu errichtendes Hugo Wolf-Museum zu erwerben. Der Kaufpreis für das erwähnte Mobiliar beträgt derzeit 400 Schilling (ohne Klavier), würde sich aber wohl auf 300 reduzieren lassen. Der Betrag ist zwar ein sehr hoher, jedoch wurde mir bei meinem Besuch bei Hofrat Wisoko im Bundesministerium für Unterricht Gelegenheit verschafft, mich mit dem ehemaligen Burgtheaterdirektor Hofrat Millenkovich und dem Hofjuwelier Theodor Köchert, zwei der bedeutendsten Persönlichkeiten im Wiener Musikleben, ins Einvernehmen zu setzen. Die beiden Herren glauben es bestimmt durchsetzen zu können, daß der gesamte handschriftliche Nachlaß (unveröffentlichte Jugendkompositionen und dergleichen), seine gedruckten Werke, seine Privatbibliothek sowie sein Wiener Klavier für das Hugo Wolf-Museum in Graz zur Verfügung gestellt würden, vorausgesetzt, daß durch die Gegenstände aus der Wohnung Hogo Wolfs in Windisch-Graz ein Grundstock geschaffen würde.

Die steierm. Landesbibliothek stellt das Ersuchen zu dieser Angelegenheit möglichst bald Stellung zu nehmen, und möchte noch abschließend bemerken, daß durch das Verzicht auf das eine (in Windisch-Graz befindliche) Klavier zu Gunsten der steierm. Sparkasse diese ihr Entgegenkommen bei der Erwerbung der übrigen Erinnerungsgegenstände durch die Landesbibliothek zugesichert hat."

Nach „...zu Gunsten der steierm. Sparkasse" in der vorletzten Zeile ist handschriftlich ein Einfügungszeichen gesetzt und am Ende des Schreibens ebenfalls handschriftlich und letztlich wieder durchgestrichen (höchstwahrscheinlich durch den Direktor selbst) vermerkt ist: „+ - es soll im „."

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16.04.1934, Graz, maschinschriftlicher Brief von Landesrat Anton Höpfl für die Abteilung 2 an die Abteilung 14 (HWM3)

„...daß die gefertigte Abteilung bereit wäre [...] einen Betrag von 300 S zu binden [...] damit die Erinnerungsgegenstände des Komponisten Hugo Wolf für das Land gekauft werden können. Diese Zusicherung ist jedoch davon abhängig, daß dem Land der gesamte handschriftliche Nachlaß Hugo Wolf´s, seine gedruckten Werke, seine Privatbibliothek, sowie sein Wiener Klavier für ein Hugo-Wolf-Museum kostenlos zur Verfügung gestellt werden."

 


04.06.1934, Graz, maschinschriftlicher Brief von Dr. Norbert Stücker an das Amt der steierm. Landesregierung, Abt. 14 (HWM4)

„Als Antwort auf den beiliegenden Akt wird mitgeteilt, daß das Schreiben an die in Betracht kommenden Persönlichkeiten (die in Laibach und Agram lebenden Schwestern Hugo Wolfs sowie an einige Musikwissenschaftler in Wien) schon vor Wochen abgegangen ist. Sobald sämmtliche Antwortschreiben bei uns eingelangt sind, werden wir umgehend Bericht erstatten."

Im Sande verlief auch der Kontakt zum Neffen von Hugo Wolf:

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30.04.1934, Graz, maschinschriftlicher Brief von Dr. Norbert Stücker an Dr. Hanns Harpf (HWM5)

„Frau Schechel sowie ihr in St. Peter bei Graz lebender Schwager erzählten mir, daß sich unter den Erinnerungsgegenständen in der ehemaligen Wohnung Hugo Wolfs in Windisch-Graz ein Sofa, ein Kasten, ein Tisch, ein Handtuchhalter und ein Federstil befinden. Nun hat mir Ihr Schwiegersohn Herr Otto Korsic kürzlich mitgeteilt, daß sich die bezeichneten Gegenstände wohl zu Zeiten der Eltern und Großeltern des Komponisten dort befunden haben können, daß aber Hugo Wolf selbst niemals besessen habe.

Da die Entscheidung über diese Frage für unsere Bestrebungen von großer Wichtigkeit ist, erlauben wir uns, Sie, hochverehrter Herr Obermedizinalrat, auf beiliegender internationaler Postkarte um Mitteilung des wahren Sachverhalts zu ersuchen."

 

09.05.1934, Slovenj Gradec, handschriftliche Postkarte an Dr. Hanns Harpf an Dr. Norbert Stücker (HWM6 & HWM7)

 „Auf Ihre Zuschrift vom 30./4. Teile ich Ihnen folgendes mit: Mir ist nur bekannt, dass Sachen aus dem Nachlass der Familie Hugo Wolfs nun in dem Geburtshause desselben vorhanden sind, was und wie viel ist mir nicht bekannt. Über das Nähere bitte ich sich mal mit dem Neffen Hugo Wolfs, meinem Schwiegersohn, derzeit wohnhaft in Graz, Frankstraße 22, ins Einvernehmen zu setzen."











15.12.1934, Graz, maschinschriftlicher Brief von Dr. Norbert Stücker an Otto Korsic (HWM8)

„Für Ihre Mitteilung bestens dankend, muß ich Ihnen noch berichten, daß das Land Steiermark mir für die Transportkosten des Hugo Wolf-Nachlasses eine bestimmte Summe Geldes bewilligt hat. Da ich fürchte, daß dieselbe mit Ende des Jahres verfällt, und ich im kommenden Jahre neuerlich darum ansuchen muß, so wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn ich noch vor dem Jahreswechsel die Angelegenheit - wenigstens in den Grundzügen - mit Ihnen besprechen könnte."



Undatiert, Graz, handschriftliche Nachricht auf Visitkarte von Otto Korsic an Dr. Norbert Stücker (HWM9 & HWM10)

„Es tut mir sehr leid Sie heute nicht angetroffen zu haben. Umsomehr als ich auf 3-4 Wochen verreise und erst Mitte Januar in Graz eintreffen dürfte."

Die Bemühungen um die Objekte in Slovenj Gradec fanden mit folgendem Schreiben von Hugo Wolfs Nichte ihr Ende:

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07.08.1934, Stenjevec, handschriftlicher Brief von Ilse Strzelka an Dr. Norbert Stücker (HWM11 & HWM12)

„Was die von Ihnen geplante Einrichtung eines Hugo Wolf Zimmers im Joanneum in Graz betrifft, so muss ich Ihnen leider berichten, dass sowohl meine Geschwister als auch ich seit längerer Zeit den Wunsch hegen, ein solches im Geburtshause meines Onkels einzurichten. Zugegeben dass die Allgemeinheit eher die Einrichtung eines solchen Zimmers in der Landeshauptstadt Graz begrüssen würde, so lassen sich doch unsere persönlichen Wünsche schwer damit in Einklang bringen.

Ich bitte Sie daher, von Ihrem Vorhaben frdl. Abstand zu nehmen und bemerke ich noch, dass die Erbstücke nach Hugo Wolf grösstenteils gemeinsames Eigentum sind, auf welches meine beiden Geschwister, die räumlich voneinander getrennt leben und ich gleiches Anrecht haben. Ich möchte nicht verhehlen bei dieser Gelegenheit Ihnen meinen Dank für Ihre Bemühungen in dieser Richtung auszusprechen und freut es mich aufrichtig, dass Sie durch Ihre Mühe dazu beitragen wollen, dass Andenken unseres Onkels in Ehren zu halten."

 

Ein einzelner Kontakt, zu dem sich in den Unterlagen nichts Näheres finden lässt:

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20.12.1934, Wien, maschinschriftliche Postkarte von Prof. Ernst Decsey an Dr. Norbert Stücker (HWM13 & HWM 14)

„Nachträglich fällt mir noch ein Mann ein, der viel mit Wolf verkehrte, der seine ersten Liederhefte zum Druck beförderte u. mancherlei Handschriften besitzen dürfte. Es ist dies: Herr Friedrich Eckstein, Wien IV., Schlüsselgasse 5. Sie können ihm mit und ohne Berufung auf mich schreiben."

Einstweilen hatte es Stücker in Perchtoldsdorf, wo Hugo Wolfs schaffensreichste Zeit verortet ist, versucht, doch auch hier erfolglos:

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15.07.1934, Perchtoldsdorf, handschriftlicher Brief von Emma Werner an Dr. Norbert Stücker (HWM15 - HWM17)

„In Erwiderung Ihres gesch. Schreibens möchte ich Ihnen mitteilen, daß wir selbst hier in Pertoldsdorf ein dem Andenken Hugo Wolf´s gewidmetes Zimmer haben, welches der Meister während seiner größten Schaffenszeit bewohnte, und in dem die meisten seiner unsterblichen Lieder entstanden sind. Das Zimmer, welches genau so erhalten ist wie es Hugo Wolf verließ, steht unter Denkmalschutz und wird alljährlich von vielen Freunden und Verehrern seiner Kunst (selbstverständlich ohne Entgeld) besucht. - Sie werden nun verstehen, sehr geehrter Herr, daß wir aus diesem Grunde nicht in der Lage sind Gegenstände des Meisters einem Museum in Graz zur Verfügung zu stellen."

Eine weitere Möglichkeit tat sich auf im Kreise der Nachkommen und Bekannten von Dr. Heinrich Potpeschnigg und Theodor Streicher (beides Musiker, Komponisten und Förderer von Hugo Wolf) sowie Heinz Nonveiller (Schriftsteller und Förderer) - letztlich war es aber nur ein Beispiel über innerfamiliäre Verwerfungen, zu deren Spielball Dr. Stücker wurde:

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15.08.1934, München, handschriftlicher Brief von Henriette Kühn an Dr. Norbert Stücker (HWM18 & HWM19)

„Die handschriftliche Partitur des Corregidor war meines Wissens nie im Besitz unserer Familie. Jedenfalls hat sich nach dem Tode Papa´s diese Partitur nicht vorgefunden. Da ich selbst ja schon seit 1900 in Deutschland lebe, habe ich nicht so enge Fühlung mit dem Elternhaus gehabt, um über alles Bescheid zu wissen. - Am besten fragen Sie bei Heinz Nonveiller an, Freiheitsplatz 2 II. Er hat mit Papa vielerlei gearbeitet und wird Ihnen Auskunft geben können. Eine photographische Aufnahme Hugo Wolfs mit eigenhändiger Widmung, haben wir Heinz Nonveiller gegeben. Eine Statuette bekam Theodor Streicher.

Leider sind es nur sehr dürftige Angaben, die Sie da erhalten. - Sollte ich irgendeinmal ein Andenken an Wolf noch auffinden, werde ich sicher dran denken, Ihnen es mitzuteilen."










17.12.1934, Graz, maschinschriftlicher Brief von Dr. Norbert Stücker an Edith Streicher-Thorndike (HWM20)

„Verzeihen Sie vielmals, daß ich mich heute mit einer Anfrage an Sie, hochverehrte gnädige Frau, wende! Vor kurzem erhielt ich nämlich durch einen Verwandten Hugo Wolfs die Nachricht, daß Aussicht bestehe, den noch in Jugoslavien befindlichen Nachlaß nach Graz für ein eventuell zu errichtendes Hugo Wolf-Museum (im Rahmen des Landesmuseums Joanneum ) zu bekommen. Seitens der steiermärk. Landesregierung wurden mir zu diesem Zwecke ein paar 100 S in Aussicht gestellt, und außerdem besteht für diesen Fall die Möglichkeit, die dem Wiener Richard Wagner-Verein (als gesetzlichen Erben der Hugo Wolf-Gesellschaft) gehörenden Andenken, Manuskripte u.s.w. als dauernde Leihgabe zu erwerben.

Herr Heinz Nonveiller teilte mir nun mit, daß Sie, hochverehrte gnädige Frau, die Verteilung des Nachlasses Ihres hochverehrten Vaters vorgenommen haben. Meine Bitte geht nun dahin, gnädige Frau möchten die große Liebenswürdigkeit zu haben, mir mitzuteilen, welche Erinnerungsgegenstände an Hugo Wolf sich im Nachlaß befunden haben, wem dieselben zugeteilt wurden und ob gnädige Frau jene, die Sie selbst behielten, unter Wahrung Ihres Eigentumsrechtes unserem Institut zur Verfügung stellen würden. Falls eine weitere briefliche Aussprache zu umständlich sich gestalten würde, wäre ich allenfalls bereit, über Tag nach Krumpendorf zu fahren."

 

23.12.1934, Senzig bei Königs Wüsterhausen (Brandenburg), Villa Thorndike, handschriftlicher Brief von Edith Streicher-Thorndike an Dr. Norbert Stücker (HWM21)

„ich habe hier erst Ihren liebenswürdigen Brief erhalten, den ich an Frau Professor Jetti Kühn : München, Nymphenburgerstr. 79 IV weitergesandt habe, da sie die Tochter des Dr. Heinrich Potpeschnigg ist und die Schwester der ersten Frau Theodor Streichers. Ich hoffe sehr, dass Frau Kühn Ihnen die gewünschte Auskunft geben kann."

"Ich bitte, Herrn Nonveiller von mir zu grüssen."

 

Undatiert, Thorndike (Senzig bei Königs Wüsterhausen), handschriftliche Postkarte von Edith Streicher-Thorndike an Dr. Norbert Stücker (HWM22 & HWM23)

„...es ist ein Irrtum von Herrn Nonveiller, dass ich „den Nachlass Dr. P.´s genau kannte". Bitte, wenden Sie sich doch einmal in dieser Sache an meinen [Anm.: Stief-]Sohn Tassilo Streicher, Koschatstr. 78 bei Haidbauer, Klagenfurt. Es tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen keinen anderen Rat geben kann u. begreife Frau Professor Kühn nicht. Schreibe ihr nochmals."

 





28.12.1934, Graz, maschingeschriebener Brief von Dr. Norbert Stücker an Edith Streicher-Thorndike (HWM24)

„Indem ich mir erlaube, für Ihre liebenswürdige Mitteilung aufrichtigst zu danken, muß ich leider bekennen, daß mir dieselbe eine große Enttäuschung bereitet hat. Vor einem halben Jahre schrieb ich nämlich in der gleichen Angelegenheit an Frau Kühn in München, diese aber war nicht informiert und bat mich, Herrn Heinz Nonveiller aufzusuchen; und letzterer erklärte mir, die einzige Persönlichkeit, die dem Nachlaß Dr. Potpeschniggs genau kannte und an die Erben verteilte, seien eben Sie, hochverehrte gnädige Frau, gewesen. Da ich nun von Ihnen die Weisung erhielt, mich in der Angelegenheit wieder an Frau Kühn zu wenden, so bin ich augenblicklich ratlos, und bitte Sie, hochverehrte gnädige Frau, um Ihren gütigen Rat, wo ich jetzt die Suche anpacken soll."

Mit folgendem Schreiben endet die Hugo Wolf-Korrespondenz seitens der Steiermärkischen Landesbibliothek und somit auch das weitere Bemühen von Dr. Stücker um die Einrichtung eines Museums:

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HWM25© LB

13.01.1935, München, handschriftlicher Brief von Henriette Kühn an Dr. Norbert Stücker (HWM25)

„Meine Schwägerin, Frau Josef Streicher, sandte mir Ihre Briefe. - Ich habe nun noch mit meiner Schwester Emma Potpeschnigg über Ihre Anfrage beraten. Diese meint, daß die handschriftliche Partitur des Corregidor in Wien im Hugo Wolf Verein sein müßte. Den Bürstenabzug mit Wolfs eigenhändigen Korrekturen soll Theodor Streicher besitzen. - dessen Adresse ist Krems a. d. Donau, Drinkweldergasse 2. Aber diese beiden Auskünfte bedürfen der Nachprüfung.

Es tut mir leid, daß Ihre mühsamen Nachforschungen bei uns erfolglos waren. - Wir würden uns auch kaum von solchen Andenken getrennt haben. Nur ob ein Hugo-Wolf Museum in Graz nicht bald in Vergessenheit geraten würde, ist noch sehr die Frage. Eine Widergabe von Wolfs Werken in vollendeter Form ist wohl das schönste Denkmal, das man ihm setzen kann. Das würde, glaube ich, auch die Meinung meines Vaters gewesen sein."

HUGO WOLF

(* 13. März 1860 in Windischgrätz; † 22. Februar 1903 in Wien) österreichischer Komponist und Musikkritiker.

Hugo Wolf ist neben Franz Schubert der bedeutendste Liederkomponist. In der Literatur wird er als Schöpfer des neudeutschen Liedes oder auch als Wegbereiter der Moderne bezeichnet, dessen Einfluss auf die zweite Wiener Schule um Arnold Schönberg nicht unerheblich ist. Hugo Wolf ist jedoch nicht nur ein Objekt der Musikwissenschaft, sondern ein wichtiger Teil des internationalen Konzertwesens. Zur Verbreitung des deutschen Liedes, das, abgesehen vom deutschen Sprachraum, insbesondere im skandinavischen, anglo-amerikanischen und südostasiatischen Raum gepflegt wird, hat das Liedschaffen Wolfs einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet und den Ruf Österreichs als eine der führenden Musiknationen gefestigt.2

Hugo Wolf war das vierte von acht Kindern des Lederhändlers Philipp Wolf und seiner Frau Katharina, geborene Nußbaumer. Von seinem Vater, der auch leidenschaftlicher Musiker war, lernte Wolf das Klavier- und Geigenspiel. Seine Schulzeit in Graz und am Stiftsgymnasium St. Paul im Lavanttal war wenig glücklich. Nur in der Musik zeigten sich seine Fähigkeiten.

1875 ging er auf das Konservatorium in Wien, wo er aber schon 1877 wieder entlassen wurde. Ab einem Alter von siebzehn war er für seine musikalische Ausbildung auf sich selbst angewiesen. Von Klavierunterricht und dank finanzieller Unterstützung durch seinen Vater konnte er für einige Jahre in Wien leben. 1881 nahm er eine Stelle als Hilfskapellmeister am Salzburger Stadttheater an, wurde aber bereits nach drei Monaten entlassen und zumindest als Musiker nie wieder fest angestellt.

1884 wurde Wolf Musikkritiker der Boulevardzeitung „Wiener Salonblatt - internationale Gesellschaftsrevue" und gewann durch seinen kompromisslos beißenden und sarkastischen Stil einige Berühmtheit, die ihm allerdings in seinem späteren Erfolg eher hinderlich sein sollte. Seine glühende Verehrung für Wagner war mit einer harten Ablehnung Brahms' verbunden, dessen Werk er zeitlebens verachtete. Nicht wegen seiner leidenschaftlichen Kritiken war Wolf bei dieser Zeitung angestellt, sondern weil einer seiner Gönner sein Honorar in Form von Inseratenaufträgen dem Blatt wieder zukommen ließ.

1887 veröffentlichte Wolf zwölf seiner Lieder, kündigte seine Stellung beim Salonblatt und begann sich nur noch der Komposition zu widmen. Die folgenden neun Jahre sollten seinen Ruhm als Komponist begründen. Sie waren geprägt von Perioden intensiver Schaffenskraft im Wechsel mit Zeiten geistiger und physischer Erschöpfung, in denen es ihm manchmal sogar unerträglich war, irgendwelche Musik zu hören. Wolf hatte zeitlebens unter extremer Armut zu leiden, was für ihn aufgrund seiner schwachen Gesundheit und seines stolzen, sensiblen und nervösen Charakters schwer erträglich war. Im Wege stand seinem beruflichen Erfolg insbesondere sein empfindliches und schwieriges Temperament. Sein Einkommen verdankte er fast nur den ausdauernden Bemühungen einer kleinen Gruppe von Freunden, Musikkritikern und Sängern, seine Lieder bekannt zu machen, der Unterstützung des Wiener akademischen Wagner-Vereins und der Gründung von Hugo Wolf-Vereinen. Gefördert wurde er auch von Heinrich und Marie Werner in Perchtoldsdorf, die ihm ihr Haus in der kalten Jahreszeit überließen. Dementsprechend lebte Wolf zumeist in einfachen Unterkünften, bis die Großzügigkeit seiner Freunde ihm 1896 eine eigene Bleibe verschaffte.

Im September 1897 machten die Auswirkungen der Syphilis, die er sich im Alter von achtzehn Jahren zugezogen hatte, eine Einweisung in eine Heilanstalt nötig. Obwohl der Wiener Nervenarzt Wilhelm Svetlin die unheilbare Krankheit des Künstlers erkannt hatte, entließ er ihn am 24. Januar 1898 als geheilt. Nach einem (abgebrochenen) Selbstmordversuch im Traunsee wurde er auf eigenen Wunsch der in Wien-Alsergrund gelegenen Niederösterreichischen Landesirrenanstalt übergeben. Nach vier leidvollen Jahren starb er dort am 22. Februar 1903.

Seinen Platz unter den größten Liederkomponisten verdankt Wolf der Wahrhaftigkeit und Originalität seiner Werke und der lebendigen Ausdrucksstärke, mit der er diese präsentiert. Diese Ergebnisse sind nicht nur Früchte seiner außergewöhnlichen musikalischen Begabung, sondern ebenso eines außergewöhnlichen kritischen Verständnisses von Lyrik. Kein anderer Komponist besaß eine so skrupulöse Ehrfurcht vor den Gedichten, die er vertonte. Einen einzelnen Akzent falsch zu setzen war für ihn ein ebenso abscheuliches Sakrileg wie die Fehlinterpretation einer Idee oder das Übergehen einer wesentlichen Andeutung im Text.3

 
 
1 Auf die Widergabe von Begrüßungsformeln wurde verzichtet. Alle Texte, ob in Current oder maschingeschrieben sind originaltranskribiert, ohne Berücksichtigung der neuen deutschen Rechtschreibung, Interpunktion etc. - auf [sic!]-Vermerke wurde aufgrund der besseren Lesbarkeit verzichtet.
2 Quelle: www.hugowolf.at
3 Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Hugo_Wolf



Im Besitz der Steiermärkischen Landesbibliothek befinden sich auch 3 Schriftstücke von Hugo Wolf, die hier originalgetreu und in chronologischer Reihenfolge wiedergegeben werden.

Hugo Wolf Brief 23.07.1885 I
Hugo Wolf Brief 23.07.1885 I© LB
Hugo Wolf Brief 23.07.1885 II
Hugo Wolf Brief 23.07.1885 II© LB
Hugo Wolf Brief 23.07.1885 III
Hugo Wolf Brief 23.07.1885 III© LB


Der erste Brief (Hs. 1854/1) erging an Hugo Wolfs Schwager, den Ehemann seiner Schwester Modesta, mit dem er einen offensichtlich recht ungezwungenen Umgang pflegte:


"Wien, 23 Juli 885

Mein lieber Schwager!

Was ist es denn mit Dir? Bist Du am Ende gar böse auf mich, daß Du Dich für mich so ganz in Deine höchst ehrenwerthe Vorhaut zurückziehst?

Ich sehne mich von Dir wieder was zu hören. Wo steckst Du? Ich habe heute in meinen Maniskripten herumgestöbert u. manche darin gefunden, die auf Schloß Gstatt von mir bekritzelt worden.

Auch Schladming, vom 30. August datirt, verewigt (!?) sich auf einem Blatt, das mit einer Skizze zum Trauermarsch aus „dem Prinzen von Kornburg" beschmirt ist. Welche wunderbaren Erinnerungen erwachen in mir beim Anblick dieser Blätter! Es war die schönste Zeit meines Lebens, die ich auf Gstatt verlebt. Ich gäbe stracks meine Seligkeit her, könnte ich mit Euch, wie dazumal, ein bescheidenes, aber seelenvoll vergnügtes Leben führen. Dich, Modesta und Deine Rangen muß ich heuer schmerzlich vermissen. Ich bin ganz wüthend darüber. Wie geht's denn Deiner Familie? Ich höre gar nicht von ihr. Gib mir doch die Adresse von Modesta bekannt, daß ich ihr einmal schreiben kann. Mein lieber, lieber Freund! - ich muß Dich heuer noch sehen.

Bei Gott! Ich bin ein hart gesottener Kerl, aber wenn ich an Dich, an Euch denke, werde ich butterweich. Es ist sonst nicht meine Art larmoyant zu sein, aber Ihr, mit eurer gränzenlosen Schlichtheit u. Herzensgüte könnt mich schluchzen machen wie zwei Dutzend Mühlräder. Du wirst auflachen, weil Du eine Kanaille bist. Hol´ Dich der Teufel u. leco mio! ----

Schreibe mir umgehend. Ich zähle die Minuten, bis ich einen Brief von Dir in Händen habe.

Wenn ich mit meinen Arbeiten bald fertig werde, komme ich nächsten Monat zu Dir. Leb wohl u. nochmals leco mio. Dein Wölflein"

Hugo Wolf Brief 17.09.1897
Hugo Wolf Brief 17.09.1897© LB
Hugo Wolf Brief 17.09.1897 Transkription
Hugo Wolf Brief 17.09.1897 Transkription© LB

Der zweite Brief (Hs. 1854/2) trägt den Poststempel vom 17.09.1897 und richtet sich an Hugo Wolfs Freund, den Direktor des Volkskundemuseums in Wien und Gründer des Hugo Wolf-Vereins, Prof. Dr. Michael Haberlandt, den er um seinen und seiner Frau Besuch bat. An diesem Tage erkrankte Wolf zum ersten Mal und musste drei Tage später in die Dr. Svetlin´sche Nervenheilanstalt gebracht werden.

Der Brief wurde Landeshauptmann Josef Krainer Anfang Mai 1963 von Unterrichtsminister Dr. Heinrich Drimmel anlässlich der Unterzeichnung der Akte zur Konstituierung der Akademie für Musik in Graz als Geschenk übergeben.

Hugo Wolf Brief 13.06.1898 I
Hugo Wolf Brief 13.06.1898 I© LB
Hugo Wolf Brief 13.06.1898 II
Hugo Wolf Brief 13.06.1898 II© LB

Der dritte Brief (Hs. 1854/3) richtete sich an Hugo Wolfs jüngste Schwester Adrienne:


"Liebe Jenny!

Ich muß Dir offen gestehn, daß ich über Deine letzten Zeilen einigermassen erstaunt bin. Einerseits schilderst Du mir Deine Lage zu Hause, als ob es am Nothwendigsten gebräche, andererseits aber willst Du für einen Luxusgegenstand gleich 150 Gulden verausgaben. - Wie reimt sich das zusammen?

Daß die Klinger Kathi Rad fährt ist doch kein zwingender Grund für Dich ebenfalls zu radeln. Wenn Kathi radelt hat es doch noch einen Sinn, in dem es ihrerem Bestreben: schlanker zu werden, nützt. Nur zum eigenen Vergnügen Rad zu fahren, ist zwar auch eine schöne Sache, nur schade, daß sie zugleich etwas kostspielig ist. Ich z.B. würde auch gern zu meinem Vergnügen radeln, aber ich scheue die Kosten u. - radle nicht. Aus Deinem Briefe ersehe ich zu meiner großen Verwunderung daß Du mich für ein Pumpgenie hältst. Da aber irrst Du Dich sehr. Was meine Freunde für meinen Unterhalt thun geschieht nicht auf mein Begehren hin, sondern sie handeln in diesem Punkte aus eigener Initiative. Natürlich ziehen diese guten Freunde dabei nur mich allein mit meinen anspruchlosen Bedürfnissen in Betracht u. dafür reicht ihre freundschaftliche Fürsorge gerade aus. Auch wäre ich gar nicht in der Lage mir stante pede 1000 Gulden oder noch mehr zu verschaffen, in dem ich diesen od. jenen Freund einfach darum anzugehen hätte.

Fürs Erste widerstrebt mir ein solches Vorgehn u. fürs andere würden auch meine Freunde nicht sehr erbaut darüber sein; das wirst Du doch selber einsehn.

Die Ruhe u. Abgeschiedenheit in meinem jetzigen Domicil thun mir sehr wohl. Ich hoffe demnächst schon wieder meine unterbrochenen Arbeiten aufnehmen zu können. Köcherts grüßen schönsten [Zeilenende]

An Mutter u. Dich herzliche Grüße.

Traunkirchen 13. Juni 898"



(Der Beitrag wurde bearbeitet und verfasst von Michael Sittinger)

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